100 Jahre MTV Wassel

Wenn ein dörflicher Verein, wie es der Männerturnverein von 1897 Wassel ist, sein hundertjähriges Bestehen feiern kann, so deutet dieses darauf hin, dass Vorstand und Mitglieder mit Zielstrebigkeit über Generationen hinweg gearbeitet haben. Sie haben so aus der Vereinigung von ehemals 14 Gründungsmitgliedern das gemacht, was den MTV Wassel heute darstellt. Der Sportverein ist zu einem der kulturellen Mittelpunkte des dörflichen Lebens geworden und zu der Institution, die sich um die sportliche Betätigung von Jung und Alt bemüht.

Gründungsmitglieder des MTV waren ausschließlich junge Männer. Deren Überlegungen waren zunächst nicht nur auf sportliche Ziele gerichtet, auch ein Pfeifenclub stand zur Debatte. Um verstehen zu können, was sie bewegt haben könnte, statt eines Pfeifen- oder Rauchclubs den Turnverein "Frohsinn" Wassel ins Leben zu rufen, sollte man versuchen, sich in die Verhältnisse zurückzuversetzen, die damals in der engeren und weiteren Heimat herrschten.

Bereits Anfang des Jahrhunderts - nämlich 1811 - hatte Turnvater Jahn den Gedanken propagiert "Leibesertüchtigung durch Turnen". Diese Idee hatte sich trotz des Widerstandes von politischer Seite weit verbreitet und zu vielen Vereins- und Clubgründungen geführt. Die Technisierung und die Industrialisierung gingen mit Riesenschritten voran. Das Königreich Hannover, dem man treu ergeben war, wurde gerade 30 Jahre vorher nach der verlorenen Schlacht bei Langensalza von Preußen "vereinnahmt". Damals waren erhebliche Kriegsschulden und Reparationen zu entrichten. Das neue Deutsche Reich war knapp bei Kasse, hatte aber die ersten 25 Jahre überstanden. Wilhelm II. hatte als König von Preußen und Deutscher Kaiser seit 10 Jahren das Zepter fest in der Hand. In Preußen galt noch immer das Dreiklassen-Wahlrecht. Der Verdienst der arbeitenden Bevölkerung war gering. Aus heutiger Sicht betrachtet, lebte man sehr dürftig und bescheiden.

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14 junge Männer gründen den MTV - 18. September 1897

Im Gründungsjahr des Männerturnvereins bestand offensichtlich in Wassel bereits ein Gesangverein. Aus den Unterlagen des Männerturnvereins ist nämlich ersichtlich, dass im Januar 1899 der Gesangverein Wassel 2 Mark aus der Kasse des MTV erhalten hat. Das genaue Gründungsdatum des MTV "Frohsinn" ist nicht überliefert. Ein Stiftungsfest zum einjährigen Bestehen am 18. September 1898 lässt aber vermuten, dass der 18. September 1897 das Gründungsdatum des MTV Wassel ist. Auf der ersten Monatsversammlung am 9. Oktober 1897 gab man sich die Statuten, in denen die Bestimmungen über den Präsidenten, den Vorstand, über die Rechte und Pflichten aktiver und passiver Mitglieder, über die Beitragszahlung und Beitragshöhe, Turnabende und Versammlungen festgelegt waren.

Vereinslokal war damals das Krackesche Wirtshaus. Heute ist es kaum vorstellbar, aber auf dessen großer Diele wurde im Winterhalbjahr auch geturnt, und als Turnplatz galt eine benachbarte Viehweide. Die ersten Turnabende im Freien haben offensichtlich mehr oder weniger Neugierige angelockt, denn schon im Protokoll der Monatsversammlung von Oktober 1897 ist vermerkt: "Es soll nicht geduldet werden, dass Zuschauer - ausgenommen die passiven Mitglieder - anwesend sind". Für die aktiven Vereinsmitglieder war die Teilnahme am Turnen Pflicht. Wer fehlte, musste Strafgeld entrichten.

Eintrittsgeld, Beiträge, Extragelder und Strafgelder wurden stets bei den Monatsversammlungen kassiert. Diese wurden zunächst Samstagabend und später Sonntagnachmittag abgehalten. Darüber wurde peinlich genau Buch geführt, obwohl es sich bei den Beiträgen und Strafgeldern nur um Pfennigbeträge handelte.
Im Dezember 1898 wurde beschlossen, der Deutschen Turnerschaft, Turnkreis VI, Leine-Wesergau, beizutreten. Laut Satzung dieser Dachorganisation galten als Einzelmitglieder:

  • wirkliche Mitglieder
  • Zöglinge (14 - 18 Jahre alt)
  • Turnfreunde und
  • Ehrenmitglieder.

Letztere waren schon damals beitragsfrei, aber nicht von der Verbandsabgabe freigestellt.

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Klatsch wird verboten

Trotz harmonischen Vereinslebens sah man sich im Sommer 1906 gezwungen, die Statuten folgendermaßen zu erweitern: "Wer im Verein klatscht, wird sofort ausgeschlossen". Damit war sicher die Verleumdung und üble Nachrede gemeint. Bei aller Vorsicht, Verständnis und allem Schmunzeln, dieser Beschluss ist Nachdenkens wert. Schließlich ist miteinander reden immer gut, übereinander häufig schädlich.

Getreu dem Motto, Feste soll man feiern, wie sie fallen, beging man das zehnjährige Bestehen des Vereins mit einem großen Ball, bei dem vom Verein großzügiger Weise zwei Fass Bier zum Preise von 7 Mark spendiert wurden. Ansonsten gab sich der Vorstand aber schon damals sehr sparsam in seinen Ausgaben. So wurde das Protokollbuch, das am 1. Oktober 1905 zum Preise von 1,85 Mark angeschafft worden war, nunmehr auch auf den nummerierten Blättern der Rückseite beschrieben, so dass es bis zum Oktober 1910 ausreichte. Im Februar 1911 war es erforderlich geworden, ein neues Reck zu beschaffen. Dies wurde zum Preise von 28,50 Mark vom Schmiedemeister August Rulff geliefert. Erstaunlich ist, dass die beschließende Versammlung trotz der relativ hohen Kosten für das Reck bereits nach 30 Minuten beendet war. Über manche Pfennigausgabe dagegen wurde stundenlang diskutiert. Ende des Jahres war es dem Verein sogar möglich, ein weiteres Turngerät, nämlich ein Pferd, zum Preise von 127,35 Mark anzuschaffen.

Ehrenamtlich wird der Verein bekanntermaßen bis heute geführt. Auch die Aufwandsentschädigung der Übungsleiter stellt bestenfalls eine kleine Anerkennung dar und wird meistens noch für die Mannschaften zur Verfügung gestellt. Erwähnenswert ist deshalb, dass in den Jahren nach der Gründung die Vorturner, die man sich auch von „auswärts geholt" hatte, ein, wenn auch bescheidenes, Entgelt erhielten.

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Die Kasse geht verloren

Im Sommer 1913 ging nach der einmaligen Aufnahme von acht neuen Mitgliedern dann offensichtlich bei einem Kassenbestand von 218,95 Mark das gesamte Geld verloren. Ohne zwischenzeitliche Aufzeichnungen im Protokollbuch beginnt die Kasse im Herbst des gleichen Jahres mit neuem Kassierer und 10 Pfennig ein neues Leben. Nachdem der Präsident und die anderen Vorstandsmitglieder benannt waren, konnte man wieder kräftig feiern. Pfiffiger Weise hatte man sich den Gastwirt Schrader nicht nur zum Präsidenten auserkoren, er trug auch die für ein anberaumtes Tanzvergnügen entstehenden Kosten selbst und überließ dem Verein den Überschuss. Damals waren Strafgelder ein wichtiger Punkt der Mitgliederversammlungen. So wurden auf der Hauptversammlung des Jahres 1914 folgende Strafsätze beschlossen:

1. unentschuldigtes Fehlen 0,50 Mark
2. Zuspätkommen 0,25 Mark
3. ungebührliches Benehmen 1,00 Mark

Im Sommer 1914 endete zunächst das Vereinsleben mit dem Eintritt Deutschlands in den ersten Weltkrieg. Mitglieder des MTV Wassel mussten einen erheblichen Blutzoll zahlen. Erst zu Beginn des Jahres 1919 wurde der Sportverein wieder mit 38 Mitgliedern tätig. Im Amt blieb der Vorstand, der bis zum August 1914 residiert hatte.

Das Jubiläumsfest zum 25jährigen Bestehen des Vereins im Sommer 1922 wurde zu einem vollen Erfolg. Sehr respektvoll ging man übrigens mit den Gründungsmitgliedern um, die anlässlich des Jubiläums im Festwagen gefahren wurden. Dank eines Zuschusses in Höhe von 4.000 Mark, den Gastwirt und Präsident Heinrich Schrader zu zahlen hatte, wurde ein Überschuss in Höhe von 1.132,95 Mark erzielt. Diese Beträge zeigen aber auch, dass die Inflation bereits zum Aufgalopp ansetzte. Auch deswegen war es nötig, in der Hauptversammlung im Oktober 1922 die Strafgelder um das Zehnfache zu erhöhen. Zum Höhepunkt der Inflation war es dann gerade möglich, bei einem Kassenbestand von 3.057,35 Mark eine Kiste Zigarren zum Preise von damals 3.000 Mark zu erstehen. Am 13. Februar 1924 wurde das Vereinsvermögen von 908 Mark auf 9 Reichsmark abgewertet. Eine ordnungsgemäße Kassenführung war erst wieder zu Beginn des Jahres 1925 möglich.

Zum 30jährigen Bestehen des Vereins sah es schon wieder viel besser aus. Dieses Jubiläum feierte man am 13.11.1927 mit einem Ball, bei dem alle Jubilare des Vereins ein Ehrengeschenk erhielten. Von dem beim Ball erzielten Überschuss wurden eine Gedenktafel für die gefallenen Vereinsmitglieder sowie Schärpen und Banner angeschafft. Der MTV Wassel beteiligte sich von nun an wieder an Veranstaltungen auswärtiger Vereine.

Im Sommer 1928, 31 Jahre nach der Gründung, wird erstmals von einem Sportunfall berichtet. Der "Turnbruder Klünder war vom Reck gestürzt und hatte sich den Arm gebrochen". Der Unfall wurde gemeldet und die Versicherung übernahm einen Teil der Kosten. Für Besonderheiten war in Wassel schon immer Platz. In der Hauptversammlung des gleichen Jahres wird „Karl Henze zum Theaterdirektor ernannt, weil er das Herbstvergnügen mit einem Theaterstück verschönern will". Im Protokoll ist außerdem vermerkt, dass an den Turnbruder Hennies, der in Südwestafrika weilt, eine Karte geschrieben wird.

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Der Wiederbeginn 1947

Unmittelbar nach Kriegsende hatten die Menschen zunächst andere Probleme, als sich um die Reaktivierung des Sportbetriebes zu kümmern. Durch die Vertriebenen und Flüchtlinge aus den Ostgebieten kamen aber auch viele junge Menschen nach Wassel, die schon bald in das Dorfleben integriert wurden und sich sportlich betätigen wollten. Schließlich kamen einige auf den Gedanken, Tischtennis zu spielen, um überhaupt wieder einen Grund zum Treffen an einem zentralen Ort zu haben.

Dies war damals der Saal der Gaststätte Schrader. Diese Tischtennisgruppe war zwar noch nicht unter dem Dach des MTV organisiert, denn Sportbetrieb konnte ohne Genehmigung der Militärregierung nicht aufgenommen werden. Dies sollte sich aber rasch ändern. Die ersten Genehmigungen gab es bald in den Nachbargemeinden Ilten, Rethen und Sehnde, und auch in Wassel wollte man den Verein wiederbeleben. Die Gründungsversammlung fand am 04.08.47 statt. Insgesamt waren 30 Mitglieder anwesend, darunter selbstverständlich die Tischtennisspieler. In geheimer Wahl mit Zettelabstimmung wurde ein Vorstand gewählt und das Weiterbestehen des MTV als gegeben betrachtet. Die Bezeichnung MTV Wassel behielt man bei, nun allerdings ohne den Zusatz "Frohsinn", und auch die Vereinsfarben wurden gewechselt. Seither tragen die Wasseler Mannschaften zu den Wettkämpfen grün-weiß. Erster Nachkriegsvorsitzender wurde Werner Uschner.

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Die Männerwelt öffnet sich

Die Währungsreform am 20.06.1948 traf selbstverständlich auch den Wasseler Sportverein hart. Wenn es trotzdem bereits im kommenden Jahr möglich war, eine Busfahrt und ein Sportfest zu organisieren, zeigt dies, mit wie viel Engagement man zu Werke ging. In diese Zeit fällt auch der Wandel des MTV von einer reinen Männergesellschaft zu einem gemischten Verein. Während nämlich bisher die Damen nur in Nebenrollen des Vereinslebens, wie beispielsweise dem Binden von Girlanden und Kränzen oder dem Sticken von Schärpen in Erscheinung traten, gab es nun auch eine Damenmannschaft. Und auch in anderen Bereichen entwickelte man zahlreiche Aktivitäten, die teilweise zur Tradition geworden sind. So fanden erstmals Weihnachtsvergnügen statt. Zur Förderung der Leichtathletik plante man 1950 einen Waldlauf und für die Damen wurde eine Faustballmannschaft ins Kalkül gezogen. In diese Zeit fällt auch die Anlage des vielen bekannten alten Sportplatzes neben dem Schraderschen Grundstück. Die an die Kirche hierfür zu zahlende Pacht übernahm die Gemeinde Wassel, weil die Schule den Sportplatz nach Fertigstellung mitbenutzen konnte. Hergerichtet wurde der Platz selbstverständlich in Eigenarbeit. Erleichtert wurde die Anlage dadurch, dass Landwirte mit ihren Geräten kostenlos dabei halfen. Auch den Zuschuss von 600,-- DM durch den Landkreis Hannover konnte man gut gebrauchen, dafür schaffte man Tore und die Einzäunung an. Eingeweiht wurde er 1949. Es gab sogar bereits genehmigte Pläne für ein Vereinsheim, die aber dann doch nicht realisiert wurden.

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Handballer aus Wassel gewinnen Jubiläumsturnier

Unter großer Beteiligung der Bevölkerung und auswärtiger Vereine feierte man 1957 das 60jährige Bestehen des MTV. Das Jubiläumshandballturnier gewann die Wasseler Mannschaft gegen die des TSV Rethen und sogar die Kreisturnriege nahm an der Jubiläumsfeier teil. Für den Kreissportbundvorsitzenden Willi Nasemann war es als Gast erstaunlich, dass eine Voltigiergruppe des Reitervereins Vogtei Ruthe mitwirkte. Und schon damals hatte man offensichtlich meistens Glück mit dem Wetter in Wassel. Die Hannoversche Allgemeine Zeitung berichtete am 04.06.1957 über das Jubiläumsfest, "dass der MTV als schönstes Geschenk prächtiges Wetter erhielt".

Hatte man gerade noch ein schönes Fest in voller Harmonie gefeiert, gab es dann in der ersten Herrenhandballmannschaft Querelen, die sogar dazu führten, dass der Spartenleiter abberufen wurde. Ihm warf man vor, die Mannschaft beim Turnier in Bothfeld im Stich gelassen zu haben. Mit dem aufkommenden Wohlstand gab es auch in anderen Bereichen ärgerliche Begleiterscheinungen. So beschwerte man sich darüber, dass einige Mitglieder, die sich für eine Busfahrt angemeldet hatten, es nicht für nötig befanden, daran auch teilzunehmen. Wohlstand, Egoismus und Selbstgefälligkeit waren aber zu allen Zeiten die größten Störenfriede, während Not nicht nur erfinderisch macht, sondern auch die Solidarität und den Zusammenhalt stärken kann. Hiervon kann sich auch ein Sportverein in einer weitgehend intakten Dorfgemeinschaft nicht ganz befreien.

Schon bald war der Ärger überwunden, so dass man sich wieder dem Sportlichen widmen konnte. Das Sportfest zum 70jährigen Jubiläum vom 08. bis 10. September 1967 war ein durchschlagender Erfolg. Neben den sportlichen Veranstaltungen wirkten auch die Kapelle der Freiwilligen Feuerwehr Wassel und der Reiterverein Vogtei Ruthe mit. Und selbstverständlich gehörte auch eine gesellige Veranstaltung dazu. Wie intensiv man in Wassel feiern kann, zeigt der Dämmerschoppen im Gasthaus Schrader. Das gestiftete Fass Freibier war schnell ausgetrunken, und genauso erging es dem Biervorrat des Wirtes. Damit die Feier nicht abgebrochen werden musste, holte man schnell zwei Fässer Bier von damals je 57 l Inhalt aus der Krackeschen Wirtschaft. Aber selbst dies reichte nicht, den Durst aller zu löschen, so dass man schließlich sogar noch ein weiteres Fass Bier aus dem Müllinger Tivoli ausleihen musste.

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Neuer Vorstand auf Bierdeckel

Vorbereitet wurden die Vorstandswahlen übrigens in einer warmen Augustnacht zu fortgeschrittener Stunde auf einer Geburtstagsfeier von Fritz Rathmann jun. Dort überzeugte man den heutigen Vorsitzenden Gunther Zimmermann davon, dass er dieses Amt übernehmen müsste und schnürte gleich ein Paket mit anderen Vorstandsmitgliedern, schrieb es auf einen Bierdeckel und hatte es bis zum nächsten Morgen natürlich vergessen. Schließlich konnte keiner ahnen, dass dieser Bierdeckel wenige Monate später wieder auftauchte, als es darum ging, einen neuen Vorstand zu finden. Aus heutiger Sicht betrachtet war der Ärger damals völlig umsonst, denn man hatte in Wassel sowieso keine ernsthafte Chance, den Verkauf der Schule zu verhindern, weil die Gemeinde Sehnde das Geld für den notwendigen Neubau des Feuerwehrhauses dringend benötigte.

In den kommenden Jahren ging es mit dem MTV Wassel weiterhin vorwärts und aufwärts. 1987 feierte man in großem Rahmen das 90jährige Bestehen. Schützenfeste, Jubiläumsveranstaltungen und Sportfeste blieben fester Bestandteil des Vereinslebens. Die Mitgliederzahl ist kontinuierlich gestiegen, so dass inzwischen über 80 % der Wasseler Bevölkerung dem Sportverein angehört. Es finden sich - heute zwar schon schwerer als früher - immer wieder junge Menschen, die mit ihren Vorstellungen den Verein aufs Neue beleben. Das hundertjährige Jubiläum ist wirklich ein Grund zum Feiern. Es bietet eine gute Gelegenheit, einmal Rückschau zu halten auf die Höhen und Tiefen der Vereinsgeschichte. Es ist aber auch Herausforderung, die Weichen für die nächsten Jahrzehnte neu zu stellen. Gesellschaftliche Entwicklungen erfordern ein Umdenken. Tradition und Zukunft gehören zusammen, denn Tradition bewahren kann nur, wer sich den neuen Herausforderungen gewachsen zeigt. Die Erfolge der Vergangenheit müssen wir deshalb als Aufforderung begreifen, den MTV Wassel so weiter zu führen und zu verändern, dass er auch künftig seinen Beitrag zum kulturellen Leben des Ortes beitragen kann.

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Mitglieder - Turnerinnen nicht eingerechnet

Eingerechnet waren zudem nicht "bloß zahlende Turnfreunde", Schüler unter 14 Jahren und - man höre und staune - Turnerinnen! Seinerzeit gehörte der Deutschen Turnerschaft auch der Turngau "Deutsch-Österreich" an. Dieser hatte aber bei der Zahl seiner Mitglieder die Einwohner des slowakischen, italienischen und ungarischen Teils der Bevölkerung nicht mitzurechnen.

Beim Geräteturnen stand das Turnen am Reck im Vordergrund. Schon am 22.11.1897 hatte nämlich der Schmiedemeister August Rulff in Wassel zum Preise von 9,50 Mark eine neue Reckstange geliefert. Dazugekauft wurden für 75 Pfennig Magnesia und für 5 Pfennig Schmirgel.

In der Monatsversammlung am 05.02.1898 wurden die Vereinsfarben rot und grün festgelegt. Der Verein fand schon vor 100 Jahren viel Zuspruch bei der Bevölkerung, was seinen Niederschlag in den Neuaufnahmen zusätzlicher aktiver und passiver Mitglieder fand. Da das Turnen im Verein aber auch immer wieder ungebetene Zuschauer anlockte, fasste man im Juni 1898 folgenden Beschluss: "Der Vorstand soll die Zuschauer zum Eintritt in den Verein oder zum Verlassen des Turnplatzes auffordern". Heute wird in Wassel selbstverständlich niemand mehr zum Verlassen des Platzes aufgefordert, sehr wohl nutzt aber man jede Gelegenheit, Nichtmitglieder von der Notwendigkeit zum Vereinseintritt zu überzeugen.

Trotz aller guten Vorsätze blieben dem aufblühenden Verein natürlich Rückschläge nicht erspart. Wie rigoros man damals mit Verfehlungen von Vereinsmitgliedern umging, zeigt dieses Beispiel. So musste der Vorturner Heinrich Sievers "wegen dreimaligen unentschuldigten Fehlens hintereinander" aus dem Verein ausgeschlossen werden. Das Turnen konnte deswegen nur noch einmal wöchentlich sonnabends stattfinden. Er war es übrigens, der eigentlich einen Pfeifenclub gründen wollte.

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Der sportliche Aufschwung kostet viel Geld

Im Jahre 1912 schloss der MTV "Frohsinn" Wassel einen Vertrag mit dem Gastwirt Schrader, der seinen Saal zum jährlichen Preis von 20 Mark zur Verfügung stellte. Mit der Aufnahme des Turnbetriebes im Saal erwuchsen dem Verein erhebliche Kosten, so dass sich der Kassenbestand von 300 Mark auf 100 Mark drastisch verringerte. Auch ein Tanzvergnügen, das neue Einnahmen bringen sollte, hatte nicht den gewünschten Erfolg. Den Kosten in Höhe von 72,70 Mark standen nur Einnahmen in Höhe von 65,25 Mark gegenüber. Im gleichen Jahr gab es erstmals Zuschüsse für die Vereinsarbeit. Seit 1912 stellte nämlich das Landratsamt dem Verein einen jährlichen Zuschuss von 40 Mark zur Verfügung.

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Gleichschaltung bis in die Dörfer

In den kommenden Jahren machte der MTV Wassel Reklame für sein sportliches Angebot. Bis zum Beginn des Jahres 1933 wurde das Vereinsleben durch Schauturnen und Turnfeste belebt und der Öffentlichkeit nahegebracht. Dabei arbeitete man auch mit der gerade ins Leben gerufenen Feuerwehrkapelle Wassel zusammen. Die traditionellen Versammlungen fanden nicht mehr wie gewohnt monatlich statt, sondern wurden nur noch einmal im Vierteljahr abgehalten. Beschlossen wurde auch, am Volkstrauertag in die Kirche zu gehen.

Die Versammlungsergebnisse des MTV Wassel sind bis zum 17.02.1934 protokolliert. Dann wurden die ersten Folgen der Gleichschaltung deutlich. So wurde der vorerst letzte Vorsitzende, Heinrich Busche (Nr. 5) nicht gewählt, sondern bestimmt. Ein anderes Beispiel dafür ist eine schriftliche Mitteilung des Gebietsführers des Turngaues Burgdorf-Lehrte vom 14.02.1934. Darin wies er darauf hin, dass der Turnlehrer Hermann Ohlendorf aus Burgdorf wegen politischer Unzuverlässigkeit vom Turnen ausgeschlossen ist. Von nun an begann die NS-Politisierung des Turnens, und die Teilnahme am Sport und Wettkampf wurde zur Pflicht. Jugendliche hatten das Leistungsabzeichen und Männer das Wehrsportabzeichen zu erwerben. Ganze Vereine wurden von der Turnerschaft in die SA überführt, mussten Uniform tragen und am Dienst auch auswärts teilnehmen.

Dass dies auch zu Auswüchsen ganz besonderer Art führte, ist bekannt. Es soll Geistliche gegeben haben, die sich vor dem Gottesdienst den Talar über die braune Uniform zogen. Über das Wie und Wo der MTV Wassel das "tausendjährige Reich" überlebt hat, sind keine Unterlagen aufzufinden. Dies ist verständlich, denn unsere Befreier gingen auch nicht gerade zimperlich mit denjenigen um, bei denen sie NS-Unterlagen vermuteten oder gar fanden.

Die Verluste des Vereins durch den zweiten Weltkrieg waren noch höher als die des ersten. Schon allein das wäre ein Grund mehr aus diesem Geschichtsabschnitt von Zeitzeugen zu erfahren. Heute - mehr als 50 Jahre nach Kriegsende - können wir als jüngere Generation eines Sportvereins diese Aufgabe aber kaum noch bewältigen. Deshalb haben wir uns darauf beschränkt, dieses Kapitel nur anzureißen.

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Handballer müssen turnen

Ob, wann und wie das 50jährige Jubiläum begangen wurde, darüber gibt es keine Unterlagen. Fest steht aber, dass der MTV einen erheblichen Mitgliederzulauf hatte, u.a. dadurch, dass die Bevölkerung sich durch Ausgebombte und Heimatvertriebene nahezu verdoppelt hatte. Es gab aber auch schlechte Erfahrungen und so sah sich der Sportverein genötigt, Neuaufnahmen von Mitgliedern erst nach einer Probezeit von 8 Wochen zuzulassen. Die Handballer hatten übrigens eines mit der heutigen Generation gemeinsam, nämlich die Abneigung gegen das Turnen. Ihnen wurde es deshalb zur Pflicht gemacht, am Bodenturnen des Vereins teilzunehmen.

Der Handball war für den MTV Neuland, im Gegensatz zu den Vereinen einiger Nachbargemeinden. Um Punktspiele austragen zu können, benötigte man eine geeignete Spielfläche der vorgeschriebenen Größe, denn damals wurde Großfeldhandball gespielt. Als provisorische Lösung stellte Reinhold Rahlves, er führte damals die Kassengeschäfte des Vereins, eine geeignete Weide am Wehminger Weg zur Verfügung. Der Platz wurde zum Spielen hergerichtet, Tore ohne Fangnetze aufgestellt und der Handballbetrieb konnte beginnen.

Für die Vorstandswahlen im Jahre 1948 war eine der längsten Sitzungen erforderlich, die es je gab. Heftige Personaldebatten und persönliche Vorwürfe hatten zur Folge, dass viele Kandidaten für ein Vorstandsamt ihr Einverständnis zurücknahmen. Schließlich fand sich aber doch noch unter dem Vorsitz von Fritz Busche ein neuer Vereinsvorstand.

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Handball wird zur Hauptsportart

Tischtennis, Leichtathletik, Geräteturnen und - als dominierende Sportart - Handball prägten das Angebot des Vereins. Heute fragen sich viele Jüngere, warum gerade Handball und nicht die Massensportart Fußball ausgewählt wurde. Ursprünglich bestand in der Tat die Absicht, eine Fußballabteilung zu gründen. Dies scheiterte aber daran, dass keiner der Interessenten geeignetes Schuhwerk besaß. Unter welch schwierigen Verhältnissen zur damaligen Zeit der Sportbetrieb durchgeführt werden mußsste, beweisen die Berichte älterer Vereinsmitglieder. Aus heutiger Sicht geradezu abenteuerlich beschaffte sich das langjährige Vereins- und Vorstandsmitglied Ernst Kittlaus geeignete Sportschuhe. Er war nämlich im Besitz von Kommiss-Stiefeln, die er gegen ein Paar Halbschuhe eintauschen konnte. Die Halbschuhe wiederum tauschte er gegen ein Paar Turnschuhe und damit konnte er am Handballbetrieb teilnehmen.

Trotzdem fehlte es an allen Ecken und Enden. Die meisten Mannschaften standen sich nach dem Kriege in weißen Unterhemden gegenüber, weil ein solches Stück fast jeder besaß. Not macht jedoch bekanntlich erfinderisch und so forderte der MTV seine Mitglieder auf, die Unterhemden abzugeben und der Verein sorgte dann dafür, dass diese weißen Unterhemden grün eingefärbt wurden. Nur durch das Engagement vieler war es auch möglich, am Spielbetrieb teilzunehmen. Mitglieder hatten sich bereiterklärt, Benzin für Fahrten nach außerhalb zu spenden. Etwas leichter hatten es die Turnriegen des MTV. Nachdem die Flüchtlingsfamilien den Schraderschen Saal als Notwohnung verlassen hatten, konnten sie wieder dort turnen, zumal die Sportgeräte noch vorhanden waren. Schon bald wurde eine Vereinsmeisterschaft im Dreikampf mit Kugelstoßen, Weitsprung und 100m-Lauf durchgeführt, dies alles natürlich mit äußerst bescheidenen Möglichkeiten. Weil Wassel keinen Sportplatz hatte, nutzte man die Weide des Landwirtes Köhler für Leichtathletik-Wettkämpfe und Handball. Der 100m-Lauf wurde auf der Rethener Straße, der Bundesstraße 443, ausgetragen, weil dieser Wettbewerb auf der Viehweide nun wirklich nicht stattfinden konnte.

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75 Jahre MTV - Sportbundvorsitzender sorgt sich um Rückkehr

Fast genau fünf Jahre später feierte man vom 09. bis 17.09.1972 das 75jährige Jubiläum des Vereins zum ersten Mal mit einem Zeltfest und einer Festzeitschrift. Wie viel Arbeit damit für alle verbunden ist, weiß jeder einzuschätzen, der einmal so ein Jubiläum organisiert hat. Es gab aber auch zu schmunzeln. So schrieb man den Vorsitzenden des Kreissportbundes an mit der Bitte um ein Grußwort. Dieser erbat sich aber nicht nur eine Festschrift, um sich über das Vereinsleben informieren zu können, er äußerte gleich auch seine Bedenken über den Verlauf des Kommers, bei dem er seine Grußworte sprechen sollte. Er meinte nämlich, dass "ein entsprechend starkes Mikrofon zur Verfügung stehen müsste, weil sonst die Feierlichkeit des Anlasses im Thekengeräusch untergeht. Außerdem müsste für seine gesunde Rückfahrt nach Hannover Sorge getragen werden."

Erster Teil des Jubiläumsfestes war ein Handballturnier mit 28 Herren- und Jugendmannschaften. Dieses Handballturnier ist mittlerweile zu einer festen Tradition geworden. Seit genau 20 Jahren findet es alljährlich am Wochenende vor den Sommerferien auf dem Wasseler Sportplatz statt. Für die mehr als 80 Damen-, Herren- und Jugendmannschaften ist dieses Turnier inzwischen zum inoffiziellen Abschluss der Sommersaison geworden.

Zum Schluss nicht unerwähnt bleiben soll, welche Anstrengungen unternommen werden mussten, um für den Verein einen neuen Sportplatz sicherzustellen, denn die seit Jahrzehnten geplante Umgehungsstraße für die B 443 sollte den alten Platz diagonal durchschneiden. Viele Behördengänge waren nötig, viele Wege wurden beschritten, um zum Erfolg zu kommen. Alle Register wurden vom Vorstand gezogen und dann regelte sich alles fast von selbst. Die Gemeinde Sehnde, der man seit der Gebiets- und Verwaltungsreform angehört, sorgte für den neuen Sportplatz in der Kleinen Kampstraße und die Pläne für die Umgehungsstraße wurden fallengelassen.

Viel Unruhe kam Anfang der achtziger Jahre von außen in den Sportverein hinein. Die Gemeinde Sehnde wollte unbedingt die alte Wasseler Schule verkaufen. Gebaut werden sollte ein Feuerwehrgerätehaus mit einem Sporttrakt. Viele Wasseler wollten sich mit dieser Lösung überhaupt nicht anfreunden, weil die Schule nach dem Kriege mit viel Eigeninitiative und durch Spenden von Wasselern gebaut wurde. Der Sportverein - so die Vorstellung einiger - sollte die Schule übernehmen. Eine eigens gegründete Arbeitsgruppe kam jedoch zu dem Ergebnis, das die sich daraus ergebenden finanziellen Risiken aus Sicht des Männerturnvereins nicht zu verantworten wären. Die Meinungsverschiedenheiten und der Ärger waren mit ausschlaggebend dafür, daß der damalige Vorsitzende Gerhard Gellermann für manch einen überraschend zurücktrat und der Vorstand im Oktober 1984 viele neue Gesichter erhielt.

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Seit 100 Jahren - Sport und Geselligkeit

Sport und Geselligkeit prägten schon vor hundert Jahren das Vereinsleben in Wassel und so entschloss man sich, zum einjährigen Bestehen am 18.09.1898 ein Stiftungsfest zu veranstalten. Dazu hatte man Extrabeiträge und Mitgliederspenden gesammelt. Gekauft wurden u.a. Einladungskarten und Abzeichen für Vereinsmitglieder - unterteilt in solche für den Vorstand, aktive und passive Mitglieder - und natürlich gehörte auch Musik für 39 Mark dazu. Das Stiftungsfest fand so großen Anklang, dass es in den Folgejahren viele Wiederholungen gab.

In der Jahresversammlung im Oktober 1898 beschloss man die Änderung der Statuten. Danach mussten künftig Aktive 30 Pfennig und Passive 35 Pfennig Beitrag zahlen. Man erfand aber auch noch wirklich pfiffige Möglichkeiten zur Finanzierung des Vereinslebens. So konnte sich "der Kassierer gegen die einmalige Zahlung von 3 Mark für ein Jahr vom Turnen dispensieren lassen". Außerdem wurde festgesetzt, dass "derjenige, der am Turnabend bei grobem Unfug betroffen wird, 1 Mark Strafe zu entrichten hat".

Feste feiern konnte und wollte man in Wassel schon immer. Zwei Jahre nach der Vereinsgründung beschloss man auf der Januarversammlung 1899, einen Ball zu veranstalten. Zwar wurde dieser Beschluss in der folgenden Monatsversammlung dahingehend geändert, dass wegen zu geringer Beteiligung kein Ball, dafür aber Fastnacht gefeiert werden sollte. Dies wurde dann offensichtlich gebührend getan, was die Bierrechnungen des Vereinswirtes beweisen.

Die Kassenlage des Vereins war im Frühjahr 1899 so gut, dass man laut Versammlungsbeschluss "30 Mark bei der Sparkasse als Reservefond gegen Zinsen" anlegen konnte. Ein weiterer Beschluss der Monatsversammlung lautete so, dass es nunmehr jedem Vereinsmitglied möglich ist, ohne Angabe von Gründen aus dem Verein auszutreten. Auf der gleichen Versammlung beschloss man, bei geeigneter Witterung auch Schwimmübungen abzuhalten. Dazu fuhr man dann im Sommer mit dem Pferdefuhrwerk nach Rethen, wobei Kosten in Höhe von 7 Mark entstanden. Im gleichen Jahre nahmen Mitglieder des Vereins erstmalig an einer Veranstaltung der Turnerschaft in Lehrte teil.

Weil im Oktober 1900 vier Vereinsmitglieder gleichzeitig zum Militärdienst einberufen wurden, hielt man am 30. September ein sog. Abschiedskränzchen ab, zu dem auch Freunde und Gönner des Vereins eingeladen waren und für die Dienstleistenden gab es eine Erleichterung. Die vom Militärdienst zurückkehrenden Vereinsmitglieder wurden nämlich vom "Turnen dispensiert, wenn sie 25 Jahre alt sind".

Die folgenden Jahre verliefen im Vereinsgeschehen ohne aufregende Vorkommnisse. Auffällig ist lediglich, dass die Luft bei den Monatsversammlungen recht trocken gewesen sein muss und der Durst - auch nach dem Turnen - ziemlich groß war. Dies belegen zumindest die noch vorhandenen Abrechnungsunterlagen mit dem Vereinswirt.
Anfang des Jahres 1904 beschloss man, einen Ball zu veranstalten und auch Fastnacht gebührend zu feiern. Dies ist dann auch wohl so geschehen. Die dabei entstandenen Kosten waren für die damalige Zeit recht hoch, denn neben Einladungskarten mussten verschiedene Plakate, Vesper sowie Getränke für Musik und junge Leute und sogar zwei Kaiserbilder finanziert werden.

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